Eder- und Diemelstausee

Dieser Bericht ist auch in der Januar-Ausgabe 2000 des Kradblatts erschienen.

©Achim Lerch 1999.

Kritik, Anregungen: lerch@wirtschaft.uni-kassel.de

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Idylle am Ederstausee

Über allen Seen ist Ruh...

Am Wochenende zum Edersee? Bloß nicht, werden die Insider jetzt denken. Das ist wohl nur etwas für ausgesprochene Masochisten oder für jene "Poser", die einem tief im Unterbewußtsein vergrabenen exhibitionistischen Trieb folgend unbedingt dabei sein wollen beim allwöchentlichen "Sehen und gesehen werden". Ortskundige kennen alle das Bild eines sich endlos auf der Uferstraße windenden Staus aus Wohnmobilen und Wohnwagengespannen, vorzugsweise aus Holland, Kombis mit Dachgepäckträger nebst Mountainbikes aus dem Ruhrgebiet und bunten Cabriolets aus Kassel. Dazwischen jene "Tiefflieger" auf zwei Rädern, die meinen, ausgerechnet in diesem Wochenendausflugsverkehr durch waghalsige Überholmanöver und Beschleunigungsorgien ihre fahrerischen Ausnahmequalitäten unter Beweis stellen zu müssen. Die nächste Streckensperrungsdiskussion wird wohl so sicher kommen wie die nächste Steuererhöhung. Genervt erreicht man schließlich irgendwann die Staumauer, wo man vergeblich nach einem der viel zu wenigen Motorradparkplätze Ausschau hält, sich alle gegenseitig auf die Füße treten und man für eine Tasse Kaffee oder eine Bratwurst Schlange stehen muß.

DiemelstauseeDoch es kann auch ganz anders sein, selbst am Wochenende. Wer eine Thermokombi besitzt, Frostbeulen nicht scheut und nicht gerade ein Saisonkennzeichen an sein "Mopped" geschraubt hat, der kann an einer der meistfrequentierten "Badewannen" des Landes eine beschauliche Seeidylle finden, wie wir sie sonst nur aus den einsamen Weiten Skandinaviens kennen. So zum Beispiel auch an diesem 2. Januar, an dem ich von Kassel aus zu einer winterlichen Stauseenrunde aufbreche. Die Temperaturen liegen knapp über dem Gefrierpunkt, Schnee findet sich allenfalls in unbedeutenden Resten und durch dünne, schleierartige Bewölkung scheint hier und da die Sonne. Über die Druseltalstraße fahre ich stadtauswärts am Hohen Gras vorbei über den Essigberg, sehe dabei Kassels Wahrzeichen, den Herkules, im Rückspiegel von hinten. Bei Ehlen erreiche ich die B 251, der ich Richtung Korbach folge. Keine Ahnung, wie oft ich die folgenden Kurven schon durcheilt habe. Heute ist jedenfalls vorsichtige Fahrweise angesagt, bei dieser Witterung kann überall Glatteis lauern. Das Café Monschein, nordhessischen Gespannfahrern als Treffpunkt bekannt, lasse ich rechts liegen, bei Ippinghausen grüßt linkerhand wie immer die Ruine der Weidelsburg. Kurz hinter dem Ort verkündet ein mit Wappen verzierter Grenzstein, daß ich das Waldecker Land erreicht habe, und gleich darauf leuchtet rechts der Straße die Fassade von Schloß Höhnscheid gelb in der Sonne. Das Hinweisschild zur Edertalsperre, einige Kilometer später am Abzweig nach Sachsenhausen, ignoriere ich, bleibe statt dessen noch einige Kurven lang auf der Bundesstraße, um wenig später links nach Alraft abzubiegen. Von hier geht es nach Oberwerbe, das von einer exponiert auf einem Felsen thronenden Ruine bewacht wird. In das enge Tal ist die Sonne noch nicht vorgedrungen, und so sind Felder und Bäume reifbedeckt. Das kleine Sträßchen führt zunächst bergan, um dann steil nach Niederwerbe hinunterzuführen. Man erreicht einen nach Norden reichenden Seitenarm des Edersees, der sich eigentlich in West-Ost-Richtung über 27 Kilometer lindwurmartig durch das Edertal zieht.

Versailles in Nodhessen: Schloß ArolsenNach nur wenigen Kurven der Uferstraße werfe ich den Anker, um den Anblick des Sees zu genießen. Derart stimmungsvoll, mit spiegelglatter Wasseroberfläche im milden Licht der Wintersonne, habe ich ihn selten erlebt. Ein Ruderboot liegt nahe dem Ufer vor Anker, der Blick fällt über den See auf die bewaldeten Hänge des Kellerwaldes - man fühlt sich urplötzlich meilenweit von zu Hause entfernt, wähnt sich in Kanada oder Skandinavien. Nachdem ich mich von dem Anblick losreißen konnte, schwinge ich gemütlich weiter Richtung Staumauer, wo weit und breit kein Motorrad zu sehen ist. Das 400 Meter lange und 47 Meter hohe imposante Bauwerk wurde von 1908 bis 1914 errichtet, zur Stromerzeugung und um Fulda, Weser und vor allem den kurz zuvor fertiggestellten Mittellandkanal auch in trockenen Zeiten schiffbar zu halten. Ich versuche mir vorzustellen, wie sich die 202 Millionen Kubikmeter Wasser, die der Stausee faßt, in einer gigantischen Flutwelle Richtung Kassel ergießen - so wie es in der Nacht zum 17. Mai 1943 geschah, als britische Fliegerbomben ein gewaltiges Loch in die Staumauer rissen.

Gut Bodenhausen bei ZierenbergDie Gedanken an diese Katastrophe verfliegen aber sofort, als die Sonne bei der Weiterfahrt durch eine größere Lücke späht und wohlige Wärme ausstrahlt. Vorbei an Waldeck mit seinem hoch über dem See liegenden Schloß geht es anschließend über Korbach und Adorf zum "kleinen Bruder" des Edersees, dem Diemelstausee. Mittlerweile ist kräftiger Wind aufgekommen, und die Wasserfläche des kleinen Sees ist im krassen Gegensatz zur spiegelnden Fläche des Edersees aufgewühlt. Auch hier, wo die Grußhand an einem Sommerwochenende keine Minute am Lenker bleibt, ist heute kein Motorrad zu sehen. Über Helminghausen geht es nach Padberg, dessen imposante Kirche mit ihren zwei Türmen schon von weitem auf sich aufmerksam macht. In Bredelar treffe ich auf die B 7, um sie gleich darauf wieder Richtung Giershagen und Bad Arolsen zu verlassen. Dort verbinde ich die Tankpause mit einem Cappuccino zum Aufwärmen und werfe einen kurzen Blick auf das Residenzschloß des Fürsten zu Waldeck und Pyrmont, 1713-1729 nach dem Vorbild Versailles´ erbaut. An der Wetterburg vorbei geht es nach Volkmarsen und der Blick fällt auf die über dem Ort aufragende Ruine der Kugelsburg, bevor sich die Straße in einigen Kehren Richtung Breuna hinaufwindet. Kurz hinter Breuna führt ein kleines Sträßchen durch den Wald zum Gut Escheberg. Von dort kann man auf zwei Wegen nach Zierenberg gelangen, ich wähle den Weg über Laar. Von Zierenberg aus erklimme ich den Dörnberg mit seiner charakteristischen Trockenrasenlandschaft, selbst heute sind einige Segelflieger unterwegs. Am Flughafen Kassel-Calden vorbei gelange ich anschließend zum Schloß Wilhelmstal, einem der schönsten Rokokoschlösser Deutschlands, von Landgraf Wilhelm III Mitte des 18. Jahrhundert als Sommerresidenz vor den Toren Kassels errichtet. Von hier zieht sich eine Achse über Rasen- und Tulpenallee zum Schloß Wilhelmshöhe, benannt nach Wilhelm IX und heute mit Kran und Gerüst wegen der anstehenden Kuppelsanierung nicht sehr fotogen. Mit einem herrlichen Blick auf Kassel führt mich schließlich die Wilhelmshöher Allee zurück in die Stadt.



Schloß WilhelmstalAnmerkung:

Die beschriebene Tour ist ca. 200 Kilometer lang, kann aber über reichlich vorhandene kurvige Landstraßen beliebig verlängert werden. Hier hilft ein Blick in die Generalkarte, Blatt 3. Will man hingegen die eine oder andere Besichtigung einschieben, etwa von Schloß Wilhelmshöhe oder Wilhelmstal, Schloß Arolsen, Schloß Waldeck oder dem Herkules, läßt sich damit sogar mehr als ein Tag füllen. Für eine Kaffee-Pause eignen sich unter anderem die Kugelsburg bei Volkmarsen, wo man bei Kaffee und Kuchen die herrliche Aussicht genießen kann, oder die Wetterburg bei Bad Arolsen, die neben einem Restaurant auch ein Aquarienmuseum beherbergt.

Und hier noch zwei Videos von Touren im Dezember 2013: Edersee und Diemelsee.


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