From: Achim Lerch Newsgroups: de.rec.motorrad Subject: Damischer Depp (Teil I, lang!) Date: Mon, 07 Jul 2008 13:59:26 +0200 Nachdem ich die Fotos ja schon geposted habe, hier nun die wahre Geschichte zu "Auf einen Cappuccino nach Italien..." Dass ich sowohl die Alpen als auch Cappuccino liebe, ist hier ja nicht ganz unbekannt, ebenso vielleicht die Tatsache, dass ich mehr oder weniger regelmäßig zur Stella Alpina nach Bardonecchia fahre, wo man beides auf das Wunderbarste verbinden kann. Dieses Jahr aber nicht (darf gar nicht daran denken, das wäre kommendes Wochenende). Aber ein Motorradjahr ganz ohne Alpen (und ohne Cappuccino), das geht ja gar nicht... Da trifft es sich doch gar nicht schlecht, dass ein großer deutscher Motorradhersteller am vergangenen Wochenende nach Garmisch zu den "Motorradtagen" lud. Da hat man ein Ziel, trifft jede Menge Gleich- (oder doch zumindest ähnlich-, oder aber doch ganz anders-)gesinnte und für reichlich Bier ist allemal gesorgt. Den Cappuccino kann man dann ja bei einem Ausflug nach Italien genießen, ist ja nur ein Katzensprung von Garmisch. Diesen einfachen und genialen Plan im Kopf betätige ich also am Freitag um 16:04 Uhr den Anlasser, ein Lächeln im Gesicht und die mantramäßig wiederholte (gleichwohl eher dem Pfeiffen im Walde ähnelnden) Gewissheit im Kopf, dass es ja nicht sooo weit ist nach Garmisch und man 580 km doch auf einer A...backe abreißt. Haben wir doch früher auch gemacht. Und viel weiter... Tatsächlich laufen die ersten 300 km erstaunlich gut. In weiser Voraussicht habe ich die Alukoffer daheim gelassen und reise mit kleinem Gepäck, so dass mich auch zwei Staus nicht weiter aufhalten. Zwischendrinn kann ich die Kuh auch mal wieder richtig laufen lassen, so ohne Beiwagen...Wie ich also so mit 200 auf den nächsten Stau zufliege, kommt mir schon das nötige Bremsmanöver merkwürdig vor. Und als ich mich wieder langsam durch den Stau schlängeln will, fährt sich das Motorrad plötzlich sehr wackelig. Das ist doch aber Wasser in meinem Trinkrucksack, und kein Bier! Ein Autohof kommt gerade recht, und der Luftdruckprüfer zeigt magere 0,5 bar am Vorderrad. Nicht gut. Luft drauf, getankt, bezahlt, nachgemessen: 0,2 bar weniger. Nicht gut. Gar nicht gut. Die Idee, mich von Tankstelle zu Tankstelle bis Garmisch durchzuschlagen, um bei einer der dort präsenten diversen Reifenfirmen das Problem beheben zu lassen, während ich schon im Bierzelt Maß nehme, verwerfe ich schnell. Erstens würde das ziemlich lästig werden, zweitens weiß man ja nicht, ob aus dem (schnell) schleichenden Luftverlust nicht ein galoppierender wird. Und (günstigenfalls) mir einem Plattfuß auf dem Standstreifen auf den Abschlepper warten, oder sich (schlimmstenfalls) auf die Nase zu legen, das muss nicht sein. Da es kurz nach 19 Uhr ist, geht bei dem Reifendealer im nächsten Ort, den der freundliche Tankwart für mich anruft, natürlich niemand mehr ran. Egal, ich beschließe, noch mal Luft zu tanken und die 10 km bis nach Mühlhausen zu fahren, ein Zimmer zu suchen um am nächsten Morgen bei Ladenöffnung beim Reifenhändler vorzusprechen. Dann wäre ich Mittags in Garmisch, könnte noch eine kleine Alpenrunde drehen...Mit diesem geänderten, einfachen und genialen Plan im Kopf mache ich mich auf den Weg durch die fränkische Provinz, und sehe kurz vor Mühlhausen linkerhand eine Kfz-Werkstatt mit "rund-um-die-Uhr-Abschleppservice". Das Tor ist offen, fragen kostet nix und Termine habe ich an diesem Abend ohnehin nicht mehr. Und siehe da: Man kennt untereinander in der fränkischen Provinz, unter der Privatnummer geht unser (sich im wohlverdienten Feierabend zu befinden glaubende) Reifenhändler ans Telefon, um sich gleich darauf in seinen Laden zu begeben. Währenddessen wird die Kuh an den Motorkran gehängt, das Rad ausgebaut (warum geht die Achse nicht raus? Festgerostet? Mache ich doch immer reichlich Fett dran? Himmelsakra...ach, moment, was sind das noch für zwei kleine Inbusschrauben da vorne? Achsklemmung, genau da war doch was. Aaarrghl, ich Depp, damischer!). Also das Rad wird ausgebaut, zum Reifenhändler gebracht, ein Reifen montiert, den ich nicht wollte (aber die Auswahl war gerade in diesem Moment nicht so richtig groß. Und auch ein trotziges: "Dann gehe ich eben zur Konkurrenz" wäre in diesem Augenblick wenig zielführend gewesen, glaube ich). Rad wieder eingebaut, Hände gewaschen, und den alten Plan reaktiviert: Auf nach Garmisch, Bier trinken. Die Verspätung hat auch ihr gutes: München wird staufrei durchfahren, die Bahn bis Garmisch ist leer, um Mitternacht bin ich tatsächlich da. Die oberen Zeltplätze sind natürlich voll, unten beim Wellenbad ist aber noch reichlich Platz. Ich fahre auf die Wiese, stelle mein Zelt auf und wundere mich, warum so wenig Motorräder auf der Wiese stehen. Eigentlich gar keine, außer meinem. Wahrscheinlich, weil das Befahren eigentlich verboten ist. Deshlb schauen mich die umstehenden, die alle ihr gesamtes Campinggerödel vom Parkplatz auf die Wiese geschleppt haben, etwas mürrisch an. Depp, damischer. Egal, am näcsten Tag habe ich Nachahmer gefunden, da fällt das nicht mehr so auf. Handy an, schauen, ob die Bekannten noch wach sind, Treffpunkt vereinbaren, Bier und Leberkas-Semmel fassen, Abend ausklingen lassen, zufrieden ins Bett: Der einfache und geinale Plan hat trotz leichter Änderungen bis hierher funktioniert. Nächster Morgen, der nächste Teil des Plans: Cappuccino in Italien. Pullover in den Tankrucksack (man weiß in den Alpen ja nie...), und los geht's. Puh, ganz schön warm. Erstmal was trinken, lässiger Griff zum Mundstück des Trinkrucksacks (praktisch, diese Dinger)...verdammt, wo hängt dieser Schlauch schon wieder...Genau: Am Rucksack, der seinerseits gut gefüllt am Zelt hängt. Depp, damischer. Jetzt schon anhalten? Dann wird das nix mehr mit Cappuccino, also weiter, ins Namloser Tal. Mein ausgedörrtes Hirn realisiert sehr spät, dass dieser Herr da am Straßenrand kein Vermessungsingenieur ist, das Ding in seiner Hand kein Theodolit. Rtttttttt - gut, mein ABS funktioniert. Der Herr grinst mich breit an. Denkt vermutlich das gleiche wie ich: Depp, damischer! So kurz hintereinander werden sie nicht nochmal stehen, denke ich, der neue Vorderreifen müsste so langsam entjungfert werden, also werde ich etwas schneller, brenne ein paar andere Kradler her und begebe mich gut gelaunt zum Hahntennjoch. Das macht aber heute nicht richtig Spaß, viel zu voll. Kurz nach der Paßhöhe lockt links eine Almhütte: Jetzt endlich was trinken! (An dieser Stelle sei auch dem Leser, der bis hierher durchgehalten hat, eine Pause gegönnt -- to be continued...soll ich?) -- Achim Lerch Motorrad- und Reiseseiten www.kradventure.de